Sieht man sich heute in der europäischen Politiklandschaft um, so kommt man an den Separatisten nicht mehr vorbei. Von Schottland bis Katalonien, von Sizilien bis nach Lappland existiert eine Vielzahl regionalistischer Parteien. Europa scheint voll von diesem Anachronismus zu sein.
Tatsächlich assoziieren viele Menschen den politischen Regionalismus mit Kleinstaaterei, mit Handelsschranken und kleingeistiger Eigenbrötelei. Ihr Argument: „Das haben wir doch mittlerweile bereits überwunden“.
Doch ist Regionalismus wirklich ein Anachronismus? Dass ein Südtiroler nicht italienisch denkt und spricht und deshalb eigentlich kein Italiener ist, erscheint uns noch als folgerichtig. Auch für die Schotten hegen wir gewisse Sympathien. Doch die anderen? Sind Katalanen nicht doch in Wirklichkeit Spanier, Okzitanier Franzosen und Bayern Deutsche?
Die Regionalisten haben genau hier einen anderen Blickwinkel. Sie bezeichnen nicht den Nationalstaat in dem sie leben, sondern ihre Region als Heimat. Sie fühlen sich als Minderheit im Staat und fürchten um den Fortbestand ihrer Identität, Sprache und Kultur. Sie wollen ihre Heimat bewahren.
Viele regionalistische Parteien arbeiten heute europaweit zusammen. Sie eint der Gedanke an ein Europa der Regionen, ein wirklich modernes Europa, das sich aus kleineren souveränen Regionen zusammensetzt. Diese Regionen entscheiden dann selbst, ob und welche Aufgaben sie an eine übergeordnete politische Ebene abtreten, die EU sollte sich um die wirklich großen politischen Felder kümmern. Dabei denken sie weniger an Vorschriften zu europaweit identischen Gurkengrößen, sondern z. B. an die Verteidigungs- oder die Außenpolitik.
In allen Bereichen, die die Regionen selbst betreffen, sollen die Kompetenzen bei den Regionen selbst verbleiben. Dazu zählen vor allem die Kultur-, die Bildungs- oder auch die Energiepolitik. Auch alle Aufgaben mit öffentlichem Versorgungscharakter sollten aus Sicht der Regionalisten in erster Linie bei den Regionen verbleiben.
Natürlich schließt dies eine Zusammenarbeit verschiedener Regionen nicht aus. Es stünde ihnen frei, sich in verschiedenen Bereichen mit anderen Regionen zu vernetzen. Die Europäische Union könnte hierbei zwar die Rahmenbedingungen setzen, sollte aber lediglich beratende Funktionen übernehmen. Sie würde dabei als Plattform für den Austausch von Ideen und Lösungsansätzen fungieren.
Die Regionen Europas könnten je nach Bedarf zur Lösung politischer und gesellschaftlicher Aufgaben konstruktiv zusammenarbeiten und bildeten so ein politisches Netzwerk, das im Inneren aus seiner Vielfalt an Kulturen und Ideen schöpft. Sie bieten ihren Bürgern Heimat, sprechen aber nach außen mit einer Stimme.
Ein solch dezentrales und subsidiäres Europa der Regionen wäre kein Anachronismus, sondern der modernste Staatenbund dieser Erde.